Wann ist denn der Lockown endich vorbei? Wie soll ich damit umgehen? Was hat das für Auswirkungen auf mein Studium und mein Alltag?
Im Wintersemester 2020 bildete das Kamingespräch „(Gem)einsam durch den zweiten Lockdown?" die Auftaktveranstaltung der diesjährigen Gesprächsrunden. Das Gespräch kreiste im Hinblick auf den nahenden zweiten Lockdown um die Frage der persönlichen Erfahrungen im ersten Lockdown, die Auswirkungen der gesellschaftlichen Ausnahmesituation auf einen persönlich, die Familie, die Gesellschaft und natürlich das Studium. Aufgrund des persönlichen Themas wurde das Gespräch in Präsenz in kleiner Runde mit vorheriger Anmeldung durchgeführt.
Das Sommersemester 2020 war das erste digitale Semester im Zuge der Corona-Krise. Hier kamen viele unterschiedliche Umstände zustande: die Universität begab sich in digitales Neuland, was sich vor allem auf die Lehre auswirkte, die Professor*innen mussten ihre Lehrkonzepte überarbeiten, die Studierenden waren im ganzen Land verteilt und schalteten sich aus dem alten Kinderzimmer in die Vorlesung oder verließen nicht selten erst gar nicht das Bett.
Die universitäre Welt war auf den Kopf gestellt, doch viele unserer Uni-Probleme, inklusive neugewonnener Vorteile, wurden überschattet durch die omnipräsente Covid-19 Pandemie.
Viele Studierende und ihre Familien waren gesundheitlich direkt betroffen, gehörten der Risikogruppe an oder hatten im familiären Umfeld oder im Freundeskreis Angehörige die betroffen waren. Zu der existenziellen Belastungssituation kamen alltägliche Sorgen um die Entwicklung der Pandemie und das Wohlergehen vieler Menschen und der Welt. Die tägliche Presseberichterstattung und der Corona-Zahlen Liveticker wurden angespannt verfolgt und prägten das Leben vieler Studierender.
Im Kamingespräch wurden unter anderem persönliche Erfahrungen darüber ausgetauscht, wie sich eine persönliche Betroffenheit auswirkte, wie den rechtlichen Einschränkungen begegnet wurde, wie sich die Studiensituation gestaltete und welche Folgen die gesellschaftliche Herausforderung der Pandemie kurz- und langfristig nach sich ziehen könnte.
Zu Beginn wurde deutlich, dass sich die persönlichen Empfindungen zu Beginn der Corona-Krise im März und April teilweise unterschieden. Während die einen den Lockdown als hinzugewonnene Zeit für persönliche Hobbys und lang aufgeschobene Pläne nutzen, das Abi besonders fleißig vorbereiten, das Gefühl verlängerter Semesterferien hatten und anfingen Gitarre zu lernen, befanden sich andere tagtäglich in großer Besorgnis um Familie, Freunde und Gesellschaft.
Anschließend wurde deutlich, dass diejenigen, die selber nicht unmittelbar betroffen waren, sich zwar dem Ausmaß der Pandemie bewusst waren, sich jedoch eingeschränkt sahen, persönlich etwas gegen die Pandemie über die AHA Regeln und Social Distancing hinaus zu unternehmen. So wurde versucht sich die Zeit während des Lockdowns angenehm zu gestalten, doch nicht selten ohne einem komischen Beigeschmack. Dies führte zu neuen Gitarren Skills, einem aufgeräumten Kleiderschrank und gemütlichen Lesestunden unter dem Kirschbaum. Weiterhin wurde angesprochen, dass das Erzählen dieser positiver Erfahrungen und der schönen Zeit während der ersten Welle nur zwiespältig mit anderen geteilt werde, da es ja nicht jedem in der Gesellschaft gut ginge und viele gelitten haben.
Der noch zu Beginn der Pandemie propagierte Spruch: „Corona trifft alle gleichermaßen“, konnte nachträglich als zu optimistisch gesehen werden. Vielmehr wurden Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft sichtbar, wenn nicht sogar verstärkt.
Mithilfe einer Tweedback Umfrage, konnten nun alle Teilnehmer*innen anonym Umfragen beantworten.Es stellte sich heraus, dass die Mehrheit der Teilnehmer*innen an der Diskussion leichte Meinungsverschiedenheiten in ihren Familien erlebte. Insbesondere gab es Uneinigkeiten bei der Auslegung der Kontaktbeschränkungen, wobei es innerhalb der Runde, vor allem um eine gewünschte strengere Einhaltung der Regeln ging. Hier wurde ebenfalls deutlich, dass sehr schwierig innerhalb der Familie und unter Freunden hierüber diskutiert werden konnte, da bei Meinungsverschiedenheiten immer die moralische Verantwortung um Tod und Leben in der Luft hing. Ebenfalls wurde die große eigene Unsicherheit benannt, wie in welcher Situation die richtige und vernünftige Entscheidung getroffen werden kann, denn wird das eigene Handeln reflektiert, kann in den eigenen Entscheidungen eine hohe Verantwortung gesehen werden. Treffe ich meine Oma? Sie möchte mich gerne sehen und sagt sie sei so einsam, aber was ist, wenn ich sie anstecke? Trage ich dann an ihrem Tod eine Mitschuld?
Sehr persönlich wurde es ebenfalls, bei dem Erfahrungsaustausch zum Thema Einsamkeit während der Pandemie. Eine knappe Mehrheit der Anwesenden fühlte sich während des ersten Lockdowns sehr einsam. Der erzwungene Wegfall von, sowie der freiwillige Verzicht auf Sozialkontakte führte zu einem immer belastender werdendem Gefühl der Einsamkeit. Zu einem immer beliebter werdenden Ausweg wurden Videokonferenzen. Überraschend konnten hier sogar mehr und weiter entfernte Sozialkontakte gepflegt werden. Mit der besten Freundin von früher konnte nun auf einmal stundenlang gequatscht werden und der Opa wurde virtuell auch öfter als früher besucht.
Ein großes Problem stellte der Studienbeginn im Wintersemester dar, denn aufgrund der Onlinelehre und dem Wegfall der regulären Einführungswoche konnten nur schwer neue Kontakte und Freundschaften am neuen Studienort geknüpft werden. Hier wurde schnell den höheren Semestern bewusst, welcher Luxus in Relation zur jetzigen Situation die ganzen Ersti Partys waren.
Abschließend wurden noch die Auswirkungen der Ausnahmesituation auf persönliche Verhaltensweisen und die Gesellschaft diskutiert. Grundlegende Veränderung wurden laut der meisten Studis im Small Talk festgestellt. Vor allem zu Beginn der Pandemie konnte sehr schnell auf eine persönliche Ebene gewechselt werden, indem nach ersten Worten bereits oft auf persönliche und intime Erfahrungen im Umgang mit den Herausforderungen eingegangen wurde, was einen tieferen und neuen Zugang zu den Mitmenschen erlaubte.
Das Kamingespräch "(Gem)einsam durch den zweiten Lockdown?" klang mit sehr lieben Worten aus. Alle Beteiligten schätzten die persönliche Atmosphäre und sahen sich auch daher ermutigt private Erfahrungen zu teilen.
Die Pandemie geht weiter und wir befinden uns inmitten des zweiten Lockdowns. Wie sich die Corona-Krise im zweiten Semester auf uns ausgewirkt hat, wird demnach sehr wahrscheinlich eine zweite Runde dieses Kamingesprächs im nächsten Semester nach sich ziehen, um auch die aktuellen Erfahrungen Revue passieren zu lassen.
Das Team der Kamingespräche bedankt sich sehr herzlich bei allen Anwesenden und wünscht allen gute Gesundheit!